Exner Ch. / 1966

  Zur geologischen Position des Auftretens von Sillimanit in metamorphen Gesteinen der Ostalpen.

Von Christof EXNER, Wien.

Sillimanit findet sich in den Ostalpen einerseits als alpidische Sprossung in den Kontakthöfen und aplitisch-pegmatitisch injizierten Schiefern im Umkreis der pariadriatischen Plutone und andererseits recht selten im oberostalpinen Altkristallin als Relikt eines voralpidischen (variszischen oder älteren) Starkwirkungsbereiches der Metamorphose.
Die soeben erschienene Beschreibung neu aufgefundener sillimanitführender Gesteine im Meran-Maulser Gneiszug am Westrande des Iffinger Plutons durch das hochverdiente padovaner Petrographen Ehepaar Sergio LORENZONI und Eleonora ZANETTIN -LORENZONI (1966) zeigt, daß es nicht immer ganz leicht ist, zwischen den beiden oben genannten Positionen sillimanitführender Gesteine zu unterscheiden.
Der von diesen Autoren angebahnte Vergleich mit Sillimanitvorkommen in den österreichischen Ostalpen sei hier etwas weiter ausgebaut. Allerdings habe ich keine umfassenden Studien über die Vorkommen von Sillimanit in den metamorphen Gesteinen der Ostalpen durchgeführt, sondern möchte diesen kurzen Aufsatz mehr als Referat und Anregung bringen, um aus verstreuten Kenntnissen zu einer systematischen Erfassung der natürlichen Vorkommen dieses Minerals in unserer Heimat zu gelangen, ohne natürlich auf die vielen Vorkommen in der Böhmischen Masse einzugehen. Mit der Bitte um Vervollständigung der Angaben bezüglich der Ostalpen wende ich mich daher an die Leser des "Karinthin". Es kommt ja dem Sillimanit als wichtigem Indexmineral der Gesteinsmetamorphose eine recht große Bedeutung für die Alpengeologie zu. Das haben erst unlängst wiederum E. NIGGLI und C. R. NIGGLI (1965) für die Schweizer Alpen gezeigt.

Sillimanit im Bereich um die periadriatischen Massive:
 In den Kontakthornfelsen des Eisenkappler Eruptivgebietes fand schon H. V. GRABER (1933) Sillimanit, was durch eigene Funde (Ch. EXNER 1956) bestätigt werden konnte. Meine Bearbeitung ist noch nicht abgeschlossen. Es sei darauf hingewiesen, daß man die betreffenden Cordierit-Andalusit-Sillimanit-Hornfelse z.B. im Bett des Remschenig-Baches bei der Brücke P.745 (österr. Karte 1:25.000, Blatt Eisenkappel 213/1), etwa 1,5 km westnordwestlich St. Margarethen findet. In diesem Gestein erreichen einzelne Sillimanit-Säulchen bis 0,6 mm Länge. Häufiger sind Kleinfaser-Aggregate in Form von Sillimanit-Bärten. H.V. GRABER unterschied in den Hornfelsen des Eisenkappler Gebietes 2 Sillimanitgenerationen: Älteren Sillimanit, der in Umbildung zu Andalusit begriffen sei und auch als Einschluß in Cordierit vorkomme. Jüngeren Sillimanit, der sich in Zügen außerhalb des Andalusits befinde.
In den "Kontaktgneisen" des Rieserferner-Tonalits erkannte bereits F. BECKE (1892, p. 448) Sillimanit in weiter Verbreitung. Eine eingehende Beschreibung gibt L. WALDMANN (1930, p.4-5), der in den häufig geaderten Cordierit-Andalusit-Sillimanit-Biotitfelsen ("Kinzigiten") lange Sillimanit-Säulen und zahlreiche stengelige Sillimanit-Bündel beobachtete. Nach der Meinung dieses Autors wäre der Sillimanit älter als die thermische Kontaktmetamorphose. W. SENARCLENS-GRANCY (1930, 1932, 1965) erwähnt Sillimanit aus dem Kontaktbereich des Rieser ferner-Plutons und aus dem Altkristallin südlich desselben. A. BIANCHI.
(1934, p. 221, Fig. 49, Tafel XVI) u. Giamb. DAL PIAZ(1934, p. 182) beschreiben sillimanitführenden Paraschiefer mit Biotit, Granat, Andalusit, Staurolith, Disthen, Turmalin und Cordierit. Sie zeigen im Profil deren geologische Stellung in bloß 250 m Entfernung vom Tonalitpluton sowie die Durchaderung der sillimanitführenden Gesteine durch saures und basisches Ganggefolge des Plutons auf. Die Lokalität befindet sich im Einzugsbereich des Antholzer Tales und zwar bei der Fürther Hütte (Rifuggio Val Fredda). Auf Grund von Vergleichsbeobachtung wird die analoge Beschaffenheit dieses sillimanitführenden Gesteines und der Proben, die W. SENARCLENS-GRANCY südlich st. Veit im Defereggen gesammelt hatte, festgestellt. Ferner wird der Meinung Ausdruck gegeben, daß es am wahrscheinlichsten sei, daß thermische Kontaktmetamorphose von Seiten des Tonalit-Plutons das sillimanit-, andalusit- und cordieritführende Gestein bedingt habe, wenn es natürlich auch schwer falle, den durch die Kontaktmetamorphose des Tonalits erzeugten Mineralbestand vom altkristallinen zu trennen. K. SCHOKLITSCH (1933) beschreibt Sillimanit aus dem andalusitführenden Hornfels unmittelbar nördlich des Tonalits, z.B. am Wege von der Barmer Hütte zum Lenkstein und von anderen Orten des Tonalitrandes. Er meint, der Sillimanit gehöre der altkristallinen katazonalen Regionalmetamorphose, hingegen der Andalusit der thermischen Kontaktmetamorphose, die durch die Intrusion des Tonalits erzeugt wurde, an.
Die eingangs erwähnten, von S. LORENZONI und E. ZAWETTIN-LORENZONI (1966) im Meran-Maulser Gneiszug am Westrande des Iffinger-Plutons aufgefundenen Vorkommen sillimanitführender Gneise befinden sich nordwestlich Meran, im linken Hang des Passeier Tales und zwar im Gebiet zwischen Schönna, Iffinger-Gipfel und Sag Bach (Masul Bach). Diese Gesteine liegen teils unmittelbar dem Iffinger-Tonalit an, teils befinden sie sich etwas weiter vom Pluton entfernt, inmitten der Übrigen Gneise. Die dunkelbraunen Biotit-Sillimanitwirbel kann man schon mit freiem Auge erkennen. Hauptgemengteile der betreffenden Gesteine sind Muskovit, Quarz, Biotit, Sillimanit und Plagioklas mit 27 bis 20% Anorthitgehalt. Granat ist gewöhnlich vorhanden. Staurolith findet sich nur in den sillimanitarmen Typen. Turmalin ist häufig. Sillimanit bildete sich sekundär nach Biotit. Man findet Sillimanit in Granat und in Plagioklas eingeschlossen. In metamorphen Karbonatquarziten unbestimmten Alters aus derselben Gesteinsserie enthalten detritäre Quarze Einschlüsse von Sillimanit. Die beiden Autoren meinen, daß die Sillimanitvorkommen des Gebietes nicht durch thermale Kontaktmetamorphose im Zuge des Aufdringens des Iffinger-Plutons entstanden seien, sondern dem Altkristallin angehören.
Die Kontakt-Hornfelse mit Andalusit am Westrande des Granit- bis Granodiorit-Plutons vom Kreuzberg, südlich Meran, wurden bereits von E. KÜNZLI (1899), C. ANDREATTA (1937) und Giamb. DAL PIAZ (1942) beschrieben. Auch auf Blatt Bozen der Carta geologica delle Tre Venezie 1:100.000 findet man sie eingetragen. Sie erreichen am linken Hange des Ultentales zwischen dem Pluton und den altkristallinen Paragesteinen über 100 m Mächtigkeit. Zahlreiche saure und basische Gänge sind vorhanden. In den Paragesteinen findet sich Sillimanit (C. ANDREATTA 1937).
Ferner tritt Sillimanit in den pegmatitisch durch äderten Paragesteinen der Tonale-Serie nördlich des Adamello-Plutons auf (R. v. KLEBELSBERG 1935, p. 202).

Sillimanit im oberostalpinen Altkristallin, abseit der periadriatischen Massive:
Während Sillimanit in altkristallinen Gneisen der Schweiz, fernab der periadriatischen Massive, z.B. aus der Monte Rosa(P. BEARTH 1952) und Silvretta-Masse (A. STRECKEISEN 1928 u.a.) beschrieben wird, sind analoge Vorkommen von Sillimanit auf österreichischem Gebiete anscheinend äußerst selten.
G. GASSER (1913, p. 125-126) erwähnt aus der Ötztaler Masse Sillimanit zusammen mit dem in Quarzlinsen der Gneise auftretenden Andalusit. Siehe auch bei R.v. KLEBELSBERG (1935, p. 149).
Vorkommen von Sillimanit in der Koralpe und am Hüttenberger Erzberg werden von H. MEIXNER (1957, p. 94) als kaum gesichert bezeichnet. Ältere Angaben von Sillimanit aus der Stub- und Koralpe sind nach den Untersuchungen von A. ALKER und O. HOMANN (1963, p. 34-35 und Abb. 6-8) zu streichen.

Schlußfolgerung
In regionaler Sicht ist das Zusammenvorkommen von Sillimanit und alpidischen Intrusionen (periadriatische Massive) aus der Schweiz über Südtirol nach Österreich bis an die jugoslavische Grenze bei Eisenkappel sehr deutlich. Im einzelnen gibt es jedoch noch ungelöste Fragen, vor allem was die Beziehungen von differentieller Gesteinsdurchbewegung und Sillimanitkristallisation betrifft. Denn es sind vor allem die Bewegungsbilder des Sillimanits (Falten Wirbel), die stellenweise daran zweifeln lassen, den Sillimanit der statischen Kontaktmetamorphose zuzuweisen, wenn er auch in manchen Hornfelsen der periadriatischen Massive zusammen mit Andalusit und Cordierit auftritt.

Literatur:

ANDREATTA, C.: Studio petrografico deI complesso eruttivo di Monte Croce in Alto Adige. - Feriodico di Mineralogia 3, Roma 1937, 311-446.

BEARTH, F.: Geologie und Petrographie des Monte Rosa. -Beitr. Geol, Karte Schweiz (N.F.) 96, Bern 1952, 1-94.

BECKE, F.: Petrographische Studien am Tonalit der Rieserferner. - Tscherm. Min. u. Fetr. Mitt.
(N.F.) 13, 1892, 379-464.

BIANCHI, A.: Studi petrografici sull'Alto Adige orientale e regioni limitrofe. - Mem. Ist. Geol. Univ. Fadova 10, 1934, 1 -243.

DAL PIAZ, Giamb.: Studi geologici sull'Alto Adige orientale e regioni limitrofe. - Mem. Ist. Geol. Univ. Fadova 10, 1934, 1-242.

DAL PIAZ, Giamb.: Geologia della bassa Valle d'Ultimo edel massicio granitico di Monte Croce. - Mem. Museo st. Nat. Venezia Trid. 5, 1942, 1-186.

EXNER, Ch.: Aufnahmen (1955) im Eruptivgebiet von Eisenkappel (Blatt 213). - Verh. Geol. Bundesanst. Wien 1956, 18-24.

GASSER, G.: Die Mineralien Tirols einschließlich Vorarlbergs und der Hohen Tauern. - Wagner Verlag, Innsbruck, 1913.

GRABNER, H.V.: Neubegehungen im Gebiete der krystallinischen Schiefer und Massengesteine von Eisenkappel in Südkärnten. - Anz. Akad. Wiss. Wien, m.n.Kl., 1933, 44-48.

HOMANN, O.: Das kristalline Gebirge im Raume Pack -Ligist. - Joanneum, Mineralog. Mitteilungsblatt (1962), 1963, p. 21-62 .

KLEBELSEERG, R. von: Geologie von Tirol. -Verlag Gebr. Borntraeger, Berlin 1935.

KÜNZLI, E.: Die Kontaktzone um die Ulten-Iffingermasse bei Meran. - Tscherm. Min. u. Petr. Mitt.
(N.F.) 18, 1899, 412-442.

LORENZONI, S. und ZANETTIN-LORENZONI, E.: Gli gneiss sillimanitici nella formazione scistoso-cristallina della zona Scena-Rio Masul-Picco d'Ivigna (Alto Adige). Memorie della Accademia Patavina, Cl.m.-n. 78, Padua 1965-66, 5-34.

MEIXNER, H.: Die Minerale
Kärntens I. - Carinthia II, Sonderheft 21, Klagenfurt 1957.

NIGGLI, E. und NIGGLI, C.R.: Karten der Verbreitung einiger Mineralien der alpidischen Metamorphose in den Schweizer Alpen (Stilpnomelan, Alkali-Amphibol, Chloritoid, Staurolith, Disthen, Sillimanit). - Eclogae Geol. Helv. 58, 1965, 335-368.

SCHOKLITSCH, K.: Gesteinskundliche und geologische Studien im Gebiet zwischen Venediger- und Rieserferner-Gruppe. - N.Jb. f. Mineralog. etc., Abt. A, Beil. B. 66, 1933,226-274.

SENARCLENS-GRANCY, W.: Die geologischen Verhältnisse am Ostende des Tonalites der Rieserferner in Osttirol. - Centralbl. f. Mineralog. etc., Abt.B, 1930, 150-153.

SENARCLENS-GRANCY, W.: Beiträge zur Geologie der Deferegger Berge und der westlichen Schobergruppe in Osttirol (zweiter Vorbericht). - Centralbl. f. Mineralog. etc., Abt. B, 1932, 481 -490.

SENARCLENS-GRANCY, W.: Zur Grundgebirgs- und Quartärgeologie der Deferegger Alpen und ihrer Umgebung. - Verh. Geol. Bundesanst. Wien, Sonderheft G, 1965, 226-255.

STRECKEISEN, A.: Geologie und Petrographie der Flüelagruppe (Graubünden). - Schweiz. Min. u. Petr. Mitt. 8, 1928, 87-239.

WALDMANN, L.: Ein cordieritreicher Kinzigit vom Rieserferner Tonalit in Osttirol. Moldanubisches und ostalpines Grundgebirge. - Mitt. Geol. Ges. Wien 22, 1929, 1-5.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

zurück....