Horninger G. / 1950 Textauszug |
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Schwebend
gebildete Bergkristalle aus dem Möllstollen. von Georg Horninger, Kaprun. Zur Überleitung von Wasser aus der obersten Möll in die Stauseen des Kapruner Tales wird zwischen Margaritze und Mooserboden ein 1,3 km langer Stollen, der sog. Möllstollen gebaut. Von der Kapruner Seite her durchfuhr er bisher fast nur verschiedene Spielarten des Kalkglimmerschiefers der Oberen Schieferhülle. Nur an einer Stelle, etwa 550 m ab Mundloch Mooserboden wurde eine kleine Grünschiefereinschaltung getroffen. Der Kalkglimmerschiefer führt ziemlich reichlich Wasser, wie ja für diese Gesteinsart zu erwarten war. Das Wasser kommt direkt von den Gletschern herunter und drückt daher die Felstemperatur sehr stark herunter.1) Als der Stollen etwa bei 1400 m ab Mundloch Mooserboden stand, -genau bei Station AM + 1261,6 m -wurde in einer braunen, lettigen, anfangs stark rinnenden Verwerfungskluft am Ostulm eine schmierige, weisse Masse angetroffen, die sich mit dem Finger leicht herausholen liess. Beim Abheben des Finger zieht die Masse Fäden, vergleichbar einem schleimigen Pilzmyzel; immerhin ein merkwürdiges Verhalten für eine anorganische Substanz. Eingetrocknet ergab die ursprünglich gallertartig aussehende Masse einen zusammenhängenden, silberweissen, seidigglänzenden Film, der fast die Konsistenz von stark zermürbtem Zeitungspapier hatte. Das Fadenziehen und der seidige Glanz liessen stäbchenförmige Elemente in der weissen Masse vermuten. Die Kluft verläuft N 15 E, 66 SE und schneidet den NNW - SSE laufenden Stollen schräg. Die Station liegt ungefähr auf 1937 m Seehöhe und ist 900 m nordnordwestlich vom Hinteren Bratschenkopf im Grundriss. Vertikale Überlagerung 583 m, kürzeste Entfernung zur Geländeoberfläche 57 schräg nach NNW aufwärts 425 m zu einem Punkt in den W-schauenden Abstürzen zum Klockerin Kees, in dessen oberen Teil die geometrische Verlängerung der Kluft herauskommt. 1) Über Felstemperaturen wird in anderem Zusammenhang berichtet werden. Das aus der Kluft anfangs rinnende, nach einer Woche nur mehr tropfende Wasser hat 2,7°C, pH 7,5 (Merck-Indikator), Gesamthärte 4,3° dH, vorübergehende Härte 3,8° dH (Bestimmung nach Blacher), keine freie Kohlensäure und gibt mit BaCl2 nur eine sehr geringe Trübung. Mit diesem Befund unterscheidet sich das Wasser kaum von anderen in gleicher Weise geprüften Stollenwässern, in denen keine weissen Abscheidungen beobachtet wurden. Die mikroskopische und -soweit dzt. dem Verf. möglich chemische Prüfung der schmierigen weissen Substanz ergab nun Folgendes: Die Hauptmasse ist eine Aufschwemmung sehr schwach doppelbrechender, feinster Blättchen und spindelförmiger, weisser bis gelblicher Gebilde. In ihr liegen trübe gedrungene Körnchen von 0,01 -0,3 mm Ø, ausserdem zahlreiche, wasserhelle oder leicht trübe, stäbchenförmige Kristalle von 0,04 mm bis etwa 2 mm Länge und 0,01 mm bis 0,5 mm Ø. Wie erwähnt, besteht also die Hauptmasse, die für das freie Auge gallertig aussieht, aus einer Aufschwemmung doppelbrechender, feiner Aggregate aus spindelförmigen Körperchen und Blättchen, die das Grau, Weiss und Blassgelb der ersten Ordnung zeigen. gerade Auslöschung, nγ' in der Längsrichtung. Kieselsäurenachweis nach Leitmeier -Feigl 2) an einer u.d.M. entnommenen, von Kriställchen freien Probe eindeutig +. Vor und nach dem Kieselsäurenachweis wurden Leerproben gemacht. Es wird daher richtig sein in der „Grundmasse" ein gealtertes Kieselsäuregel, anzunehmen. Verdünnte und konz. HCl greifen die Masse nicht merkbar an. Die rundlichen, im Mikroskop trüben Körner brausen in kalter, verdünnter HCl, sind also CaCO3 und nach gelegentlich beobachteten Grundrhomboeder-Formen wahrscheinlich Kalkspat. Die Prüfung der glashellen bis weisslichtrüben Kristallsäulchen ergab, daß es sich um Bergkristalle handle. (Habitus und Glanz in Luft unter dem Binokular: bei der Kleinheit der Kristalle zwar keine Flächenriefung senkrecht c, wohl aber bei dem einen oder anderen größeren Kriställchen? Andeutung einer Zwillingsnaht auf spiegelnden Flächen; gerade Auslöschung, nγ in der Längsrichtung, Brechungsexponenten fast gleich bzw. etwas höher als Kanadabalsam. SiO2-Probe +). Die kleineren unter diesen Kriställchen, bis etwa 0,1 mm Länge sind in der Mehrzahl gut ausgebildete Einzelkristalle mit z.T. vollkommen scharfen Spitzen der Rhomboederflächen. Sie bestehen aus Prisma mit beiderseits ausgesetztem größerem positiven und kleinerem negativen Rhomboeder. Die Rhomboederflächen sind häufig rauh. Die größeren Kriställchen sind dagegen fast nie Einzelkristalle, sondern meist Parallelverwachsungen zweier oder mehrerer Individuen und recht häufig Zwillinge 2) F. Feigl u. H. Leitmeier "Ein rascher und empfindlicher Nachweis der Kieselräure", Min.petr.Mitt. 41, S. 188-196, 1931. A. Köhler „Das Bestimmen der Minerale", Springer 1949, S.22. oder Vierlinge.. Einige 20 Zwillinge wurden mit der Nadel herausgepickt, in Kanadabalsam eingebettet und unter dem Deckglas möglichst flach hingequetscht, um den wahren Winkel zwischen den c-Achsen der Einzelindividuen so gut als möglich messen zu können. Dabei ergaben sich mehrfach Winkel um 84° entsprechend dem Japaner-Gesetz (1122) .Als Durchschnittswerte der Messungen wurden 83 ,9°, 85,3° und 81,5° ermittelt. "Belowda Beacon“ (3032) mit einem Winkel von etwa 56° zwischen den c-Achsen wurde mehrmals gefunden, darunter an sehr günstigen, gut liegenden Stücken, ebenso das Esterel -Gesetz (1011) mit ca 77°.und das Wheal Coates-Gesetz, bei dem die c-Achsen , 33 1/2° divergieren. Auf das Sardinien-Gesetz (1012) paßten recht genau 2 der Zwillinge mit 65° bzw. 66,8°. Dazu kommen noch mehrfach gemessene Zwillinge mit einem Winkel um 71 ° zwischen den c-Achsen die sich, keinem der bekannteren Zwillingsgesetze zuordnen liessen. Es sei bemerkt, dass schlechte Kristalle und solche mit erkannter Lage schief zum Objekttisch von vornherein von der Messung ausgeschlossen wurden. Verf. weiss wohl daß die Messung von Kristallwinkeln bzw. der Winkel zwischen den Auslöschungsrichtungen u.d.M. nur eine recht ungenaue Grundlage für kristallographische Betrachtungen sein kann, daß ausserdem der Einwand nahe liegt t es handle sich gar nicht um Verzwilligungen nach ausgefallenen Gesetzen, sondern um zufälliges Verwachsen der winzigen Kriställchen unter ebenso zufälligen Winkeln. Die Zahl der vom Verf. beobachteten und gemessenen Winkel geht aber wesentlich über die oben angeführten 20 eingebetteten Kriställchen hinaus und immer wieder gruppierten sich die gemessenen Werte um gewisse Schwerpunkte, dazu kommt, dass Viellinge beobachtet wurden, bei denen 2 Teilindividuen in paralleler Lage, also kaum zufällig, mit einem Stammindividuum verbunden waren (vgl. auch die Handskizze). Die allseitige kristallographische Begrenzung der Kristalle, besonders der ganz kleinen, zeigt, daß sie schwebend gebildet wurden. Gerade die allerkleinsten unter ihnen sind so scharf, daß man mit Sicherheit anfängliches Wachstum auf einem Kluftrasen, Abbrechen und Wiederheilen ausschließen kann. Es liegt daher nahe, das breiige Substrat, in dem sie liegen, als ihre Ursprungsstätte anzusehen, ausserdem kann man doch mit Sicherheit annehmen, daß die zarten, sperrigen Zwillingsgebilde einen weiteren Transport kaum so unbeschädigt überstanden hätten. Es fällt vielleicht schwer anzunehmen, daß sich Bergkristall bei einer Temperatur in Nähe der jetzt gemessenen von 2,7° C und nicht etwa aus heissen, mineralreichen Lösungen gebildet habe. Dann muss man aber fragen, wieso das Substrat, in dem die Kriställchen liegen und in das sie nicht erst eingewandert sind, worauf auch ihre gleichmässige Verteilung weist, die starke Änderung der Löslichkeitsverhältnisse, die der Temperaturwechsel bedeuten mußte, überdauern könnte, ohne daß der labile Zustand beginnender Ausflockung, der jetzt vorliegt, gestört wurde. Auch die Bergkristalle selbst zeigen weder besondere Anlösung noch Zeichen unterbrochenen Wachstums, die auf eine starke Änderung der physikalischen Bedingungen seit Bildung hinweisen würden. Verf. glaubt daher schließen zu dürfen, daß die Bergkristalle an oder nahe der Stelle gebildet wurden, an der sie heute gefunden werden und daß sich seit ihrer Entstehung die physikalischen und chemischen Verhältnisse nicht entscheidend geändert haben. Noch in mehreren „Lettenklüften“ wurde ausser dem gewöhnlichen feinsten und gröberen Zerreibsel, das zusammen den Letten ausmacht, schleimiges Material gefunden, das -einmal gesehen und richtig angesprochen als ursprünglich selbständiger Bestandteil in der verschmutzten Gangfüllung erkannt werden konnte. Aber nur an einer Stelle, in einer 10 cm breiten Quarzkluft bei Station AM+1488 m, wurde eine nennenswerte, ausreißend reine Menge rein weisser, fadenziehender Gallertmasse gefunden, daß Probenahme möglich war. Das hier gefundene Material bestand aus denselben feinsten, faserigen Spindeln und Blättchen, wie die Hauptmasse des weissen Breies von der Stelle AM+1261,6 m, doch fehlten die Bergkristallnadeln. Die Auffindung solcher weicher, schleimiger Massen ist ja im Stollen sehr vom Zufall abhängig. Kommt man nicht gleich nach dem Abschießen, wenn die Klüfte frisch aufgerissen sind, ist alles in kürzester Zeit mit Gesteinsstaub bedeckt und die weichen Massen verschmieren sich mit Staub, Kluftletten, Wasser u.s.w. zum allgemeinen Stollenschmutz, der wirklich keiner besonderen Liebe wert ist. Kaprun, Feber 1951. |
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