Clar E. / 1954 |
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Von
Robert SCHWINNERs Beitrag zur Geologie von Kärnten. Von E. Clar. Mit dem Tode von Robert SCHWINNER im November 1953 hat die österreichische Geologie wieder eine ihrer markantesten Forscherpersönlichkeiten verloren. In Kärnten selbst sind besonders unsere heutigen Vorstellungen über den geologischen Werdegang der großen, den östlichen Zentralalpen angehörigen Landesteile nicht unwesentlich mitgeformt durch die Arbeit von Robert SCHWINNER, sowohl durch seine Untersuchungen spezieller Teilgebiete, wie auch durch seine unermüdlichen Versuche, weitausgreifend zusammenzufassen, zu gliedern und zu ordnen. Robert SCHWINNER war kein Herdenmensch; er war Schüler von Albert HEIM, aber nie Vertreter irgendwelcher schulmäßiger Lehrmeinungen, sondern als kritisch prüfender Beobachter und Denker gar bald eine vollkommen selbständige Erscheinung unter den Geologen und Geophysikern. Seine rund 150 wissenschaftlichen Veröffentlichungen beginnen vor dem ersten Weltkrieg mit einigen wichtigen Geländearbeiten in Südtirol, wo er später auch als Kriegsgeologe fortsetzen konnte. Nach dem Kriege, am Geologischen Institut der Universität in Graz, zeichnen sich dann die beiden großen, stark verzweigten Themengruppen seiner Lebensarbeit ab: Geologie der ostalpinen Zentralalpen und die Herstellung einer tragfähigeren, sinnvollen Verbindung zwischen geophysikalischer und geologischer Forschung, sowohl in allgemeiner wie in regionaler Hinsicht. Er war einer der wenigen Geologen, die die mathematisch formulierten Überlegungen der Geophysik von Grund auf Überschauen und anwenden können; er ist darin nicht nur in kritischen und aufbauenden Gegenüberstellungen geophysikalischer und geologischer Erkenntnisse, sondern auch wiederholt mit neuen Vorstellungen und Gedanken hervorgetreten. Um nur ein Beispiel hervorzuheben: Konvektionströme des tieferen Untergrundes sind heute als ein möglicher, wenn nicht als der wahrscheinlichste und wirksamste Motor von Verschiebungen und Verformungen höherer Teile der Erdkruste anerkannt. Es ist wenig beachtet, daß nach viel älteren Vorläufern R. SCHWINNER diese Vorstellung 1920 als erster wieder in die Diskussion gebracht hat, als er versuchte, den von O. AMPFERER erschlossenen Unterströmungen eine geophysikalisch begründete Erklärung zu geben und sie wohldurchdacht zusammen mit gewissen Anteilen des Magmatismus auf ein System auf- und absteigender Konvektionsströmungen zurückführte. Die weitere Entwicklung des Begriffes der Konvektionströmung in der Mechanik der Erde faßte er 1941 kritisch zusammen und fügte 1947 die Idee hinzu, daß die Großfelder der Erdkruste in ihrer ersten Anlage als „Bernardsche Zellen“ eines Systems früher Konvektionströmungen verstanden werden können. In den Ostalpen und weiteren Gebieten verdanken wir R. SCHWINNER geologisch ausgewertete und durchdachte regionale Übersichten und Bearbeitungen der Schweremessungen, des Erdmagnetismus, von Erdbebenbeobachtungen, wie besonders solchen mit Schüttergebiet transversal zum Alpenstreichen, Beiträge zum Problem der Isostasie und vieles andere. Seine reiche Erfahrung auf all diesen Gebieten, gleichzeitig aber auch eine Fülle kritischer Gedanken und geistreicher, weiterführend er Ideen, hat R. SCHWINNER in seinem Lehrbuch der physikalischen Geologien niederzulegen begonnen, das als erster Versuch einer möglichst vollständigen Verknüpfung geophysikalischer und geologischer Erkenntnisse einmalig in unserem Fache zu werden versprach. Leider ist von den drei geplanten Bänden nur der erste, „Die Erde als Himmelskörper“ (mit dem Untertitel: Astronomie, Geophysik, Geologie in ihren Wechselbeziehungen) erschienen (1936). Die Arbeiten R. SCHWINNER zur speziellen Geologie von Kärnten sind für niese wichtiger, als ihre relativ geringe Zahl zunächst erkennen lässt. Denn im Streben nach zusammenfassenden Überblicken hat er offenbar gerade die seinerzeit empfindlichsten Lücken unserer Kenntnisse mit eigenen Aufnahmen zu füllen begonnen. Er war beteiligt an der Einleitung der später durch F. HERITSCH und dessen Schüler so weit vorangebrachten Neuaufnahme der Karnischen Alpen und der Untersuchungen im Seeberggebiet (1925, 1927, 1929). Im gleichen Jahrzehnt aber war er wieder mit F. HERITSCH und mit F. ANGEL der dritte im Bunde beim groß angelegten Aufbruch zu einer modernen Auflösung des "Altkristallin“ der östlichen Zentralalpen, den besonders F. ANGEL von der gesteinkundlichen Seite unermüdlich und weiträumig weitergeführt hat. Doch auch SCHWINNER war petrographisch gründlich geschult und er betrachtete es auch für ihn als Geologen für selbstverständlich, daß er die Gesteine der von ihm untersuchten Gebiete in einer großen, immer mehr anwachsenden Zahl von Dünnschliffen selbst auch mikroskopisch durcharbeitete. Von einer zusammenfassenden Untersuchung der Niederen Tauern kommend analysierte er dann in einer Übersichtsaufnahme den unbekannten "Bau des Gebirges östlich der Lieser" (1927), also den „weißen Fleck“ des Altkristallin zwischen dem südlichen Tauernostrand und den jüngeren Gesteinen des Turracher Gebietes. Er stellte darin die dort auch in neuesten Aufnahmen unterschiedenen Gruppen (Serien) der Gesteine auf und grenzte sie kartenmässig gegeneinander ab (Millstätter Serie, Radentheiner Glimmerschiefer, Priedröfgneisquarzit). In einem Anhang zu dieser Arbeit versucht er dann die hier erprobte Seriengliederung in eine allgemeiner giltige Seriengliederung des Ostalpenkristallins zu erweitern, worauf noch zurückzukommen ist. In einer Neuaufnahme 1:25.000 des Gebietes von Turrach und begleitenden Darstellung der Ergebnisse (1932) führte er dann die von ihm schon früher (1921) erkannte Gliederung in drei tektonische Stockwerke auf kleinerem Raume kartenmässig aus und trennte dabei das Karbon erstmalig scharf von den Gurktaler Phylliten, ebenso Trias und die vermutlich älteren Kalkzügen Es sieht heute so aus, als würden wir in diesen Problemen erst durch sehr weit ausgreifende Neuaufnahmen und Gesteinsstudien wesentlich weiter kommen können, als es SCHWINNER schon gelang. In Fortsetzung der Untersuchungen dieses wenig bekannten Raumes begründete er 1939 die auch heute giltige Auffassung, daß der Radentheiner Magnesitzug eine wahrscheinlich paläozoische Schuppe in seiner altkristallinen Umgebung darstellt; 1943 fand er hiezu Analogien im Paläozoikum der nordwestlichen Goldeckgruppe und im südlichen Kreuzeck. Manche der sehr weit ausgreifenden Geländebegehungen von R. SCHWINNER haben nicht in irgendwelchen speziellen Darstellungen, sondern nur im Rahmen zusammenfassender Arbeiten ihren Niederschlag gefunden. So zuerst in Beiträgen zu der "Geologie der Steiermark" von F. HERITSCH, später vor allem in dem von SCHWINNER verfaßten Teil "Zentralalpen“ in beiden Auflagen (1942 und 1951) der „Geologie von Österreich" von F.X, SCHAFFER. Diese Darstellung der östlichen Zentralalpen versucht erstmalig eine eingehendere Beschreibung des gesteinskundlichen Aufbaues und der Lagerung, schließlich eine Synthese des geologischen Werdeganges auch in den weitausladenden Serien kristalliner Schiefer, die als die alte Masse der Muralpen nur wenig Beachtung und Interesse von Seiten der Erforscher der jüngeren, "alpidischen“ Ostalpentektonik gefunden haben. Die darin ausgearbeiteten Vorstellungen und Gedanken zeichnen ihr werden schon lange vorher in SCHWINNERs Arbeiten ab; so in seinen Zusammenfassungen bisheriger Kenntnisse und eigener Begehungen über die Niederen Tauern (1923) das Paläozoikum am Brenner (1925) seine, durch einen Schlüsselgedanken der Tektonik dort wegweisende Arbeit über das Bergland nordöstlich von Graz (1925) u.a. Obwohl SCHWINNER'R in den Niederen Tauern als erster einen überzeugenden Übergang zwischen erstund zweitstufigem Kristallin beschrieben hat, kam er doch selbst zum Schluss, daß im allgemeinen in den kristallinen Serien unter unserem fossilführenden Altpaläozoikum Reste noch älterer Gebirge mit älterer Metamorphose erhalten sind; und er hat mehrfach versucht, das Bild dieser älteren Gebirge zusammenzusetzen. Aber um diese alten Gebirgsstücke zu gliedern, brauchte man eine Gliederung der alten, fossil.. freien Schieferserien, die sehr grob sein kann, wenn sie nur über größere Räume anwendbar ist Von den Kärntner Verhältnissen ausgehend, hat er diese Gliederung in dem schon erwähnten Anhang der Arbeit über das Gebirge östlich der Lieser versucht und anschliessend weiter verfolgt (Geröllführende Schiefer und andere Trümmergesteine aus der Zentralzone der Ostalpen (1929), Gliederung der phyllitischen Serien (1936) als Erwiderung, und spätere Arbeiten). Niemand, auch SCHWINNER selbst nicht, wird diese Seriengliederung als eine endgültige und nicht mehr zu verbessernde Lösung der gestellten Aufgabe betrachtet haben. Die Zuordnung mancher örtlich wichtigen Serie blieb umstritten (wie z.B. Rannachserie), es gelang jedenfalls noch nicht, die Kennzeichnung der Serien ganz unabhängig von den durch Metamorphose erworbenen merkmalen zu machen und anderes mehr. Aber es ist noch niemand gelungen, das Bedürfnis nach einer vergleichenden Übersicht der Serien besser zu befriedigen und die SCHWINNERschen altkristallinen Serien I und II, oder seine als altkambrisch bis untersilurisch vermuteten Schieferserien III a und III b sind viel verwendete Begriffe geworden, die die Vergleiche erleichtern. Die Gliederung auch der fossilfreien Serien und eine auf den vorhandenen Beobachtungen vertretbare Annahme über ihr ungefähres Alter geben SCHWINNER eine Grundlage, auch die erkennbaren älteren Gebirgsreste innerhalb der Zentralalpen zu gliedern und einander zuzuordnen. Seine Versuche solcher Übersicht gehen bis 1923 zurück und suchen immer wieder - auch unter Gegenüberstellung mit den geophysikalischen Daten des tieferen Untergrundes -weitere Zusammenhänge im ganzen mitteleuropäischen Raum. Sie sind in seinem Zentralalpenabschnitt der Geologie von Österreich am ausführlichsten ausgearbeitet und gegenüber früheren Konzepten z. B. betreffs der Tauern oder in der Datierung etwas abgeändert. Er erkennt im Altkristallin der Zentralalpen wesentliche Reste des als vorkambrisch angenommenen Gebirges der "Cetiden", sucht auf und zwischen ihnen die Geosynklinalzüge des Paläozoikums und die Reste des variskischen Gebirges abzugrenzen. und schließlich an den jüngeren Sedimenten die weiteren Veränderungen durch die jungmesozoisch-tertiäre alpidische Gebirgsbildung. SCHWINNER ist beim Aufbau dieses mannigfaltigen Entwicklungsbildes bestrebt, jeweils mit dem eben notwendigen Minimum an tektonischen Verschiebungen das Auslangen zu finden und hält z.B. die großen, von der Deckenlehre angenommenen Bewegungen zwischen den Hohen Tauern und den Muralpen, also auch das Tauernfenster, für nicht erwiesen. Im Vergleich zu anderen tektonischen Alpendarstellungen, die gerade diese alpidischen Bewegungen besonders, teilweise sicher schematisch übertrieben, betonen, erscheint daher das Bild, das uns R. SCHWINNER von der mannigfaltigen Geschichte der östlichen Zentralalpen zeichnet, gewissermaßen nach der entgegen gesetzten Seite extremisiert. Wieviel von dem, was SCHWINNER auf diesem Wege über das zeitliche Ineinanderspiel alter bis sehr alter und jüngerer Gebirgsbaue abgeleitet hat, im einzelnen haltbar sein wird, ist heute noch nicht abzusehen. Sicher ist aber heute schon, daß es vor allem das Verdienst seiner unermüdlichen Arbeit ist, wenn die Erkenntnis weitester Verbreitung voralpidischer Gebirgsbau-Reste in den Zentralalpen heute schon allgemein ist. Viele seiner Ergebnisse werden sich als fester Baustein auch neuen Zusammenfassungen einfügen. In Ablehnung aller, seiner Meinung nach Übertriebenen Annahmen über die Verschiebungsweise tektonischer Transporte in den Ostalpen ist SCHWINNER einer der beharrlichsten und schärfsten Kritiker der Deckenlehre geworden, der sich dem Problem ähnlich wie Otto AMPFERER vom physikalischen Denken her genähert hat. R. SCHWINNER hat durch seine Hinweise auf andere Lösungsmöglichkeiten wesentlichen Anteil daran, wenn die Deckenlehre davor bewahrt blieb, in schematischen Einteilungsversuchen zu erstarren und wenn der tektonischen Ostalpenforschung andere, nicht minder wichtige Probleme gezeigt worden sind. SCHWINNERs mühsam und auf selbständigen Wegen aufgebautes Bild einer langen, zyklisch gegliederten Geschichte der Tektonik und des Magmatismus im Grundgebirge der zentralen Ostalpen machte ihn zum Gegner von Lehrmeinungen, die in ihnen möglichst einheitliche, "unitarische" Erklärungen suchten. So wie er sich gegen jeden Versuch gewandt hat, die Vielphasigkeit des alpinen Gebirgsbaues zu übersehen und diesen "aus einem Guss" erklären zu wollen, so griff er in die Diskussion Über die Herkunft der ostalpinen Erzlagerstätten ein (1942, 1946, 1949); aufbauend auf eigenen früheren Bearbeitungen der Verbreitung einzelner entscheidender Lagerstättengruppen (Element Arsen 1934, Magnesite 1937), wandte er sich als geistvoller und teilweise scharfer Kritiker gegen die Auffassung von W. PETRASCHECK, H. SCHNEIDERHÖHN, O. M. FRIEDRICH oder auch den Verfasser dieser Zeilen, die im Großteil dieser Lagerstätten eine zusammengehörige zonare Vererzung sieht. Wenn auch diese letztere Erklärung heute ein Mehr von Anhängern findet, werden doch SCHWINNERs Hinweise auf andere Deutungsmöglichkeiten und neue Gedanken (wie an Beziehungen zwischen dem chemischen Gesteinscharakter größerer Bereiche und der Art ihrer Lagerstätten) auch weiterhin zum mindesten zum Auffinden der wirklichen Zusammenhänge beitragen. Manches aus Robert SCHWINNERs weitem Arbeitsgebiet mußte hier ganz Übergangen werden; doch mögen die vorstehenden Zeilen ausreichen, um auch in unserem engeren Kärntner Fachorgane die Erinnerung an einen Beitrag zur Geologie unseres Landes wachzuhalten, der durch seinen formenden Einfluß auf grundsätzliche Anschauungen wesentlich größer ist, als die-Zahl der speziell bearbeiteten Gebiete zunächst vermuten ließe. Robert SCHWINNER war erfüllt von den Forschungsaufgaben seines Faches und hat in ihm zeitlebens unermüdlich mit selbst gewählten und nie zu leicht oder zu wenig umfassend gewählten Problemen gerungen. Doch eines möchte der Verfasser als einer der Schüler aus jener schönen Zeit, da SCHWINNER in Graz neben F. HERITSCH und F. ANGEL lehrte, auch hier nicht vergessen: Sein auch uns Jüngern gegenüber vorgelebtes Beispielt daß gleichgesinntes Forscherstreben stärker verbindet, als abweichende Fachmeinungen trennen können. |
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