Clar E. / 1950 |
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Die
geologische Karte des Großglocknergebietes. Zum Gedenken an Dr. H. P. Cornelius. Von E. Clar. Vor 15 Jahren erschien bei der Geologischen Bundesanstalt in Wien eine Geologische Karte des Großglocknergebietes 1:25.000, die Dr. H. P. Cornelius. und der Verfasser dieser Zeilen in den Jahren 1929-1934 im Auftrage und durch Unterstützung des Deutschen und 5sterreichischen Alpenvereines auf der Grundlage von dessen topographischer Karte aufgenommen hatten. 1939 wurde sie ergänzt durch den ersten, Gesteine und Schichtfolge darstellenden Teil der zugehörigen Monographie, während die weiter geplante Darstellung des Gebirgsbaues und der Formung im Kriege nicht mehr abgeschlossen werden konnte. Wenn heute im Fachkreise des Landes unter dem Glockner. auf diese Arbeit hingewiesen wird, so zum Gedenken an Dr. Hans Peter Cornelius ? den der Tod vor wenigen Wochen mitten aus seiner Geländearbeit gerissen hat. Die österreichische Alpengeologie verliert in 'ihm wohl ihren derzeit hervorragendsten Vertreter. Als der ältere und Erfahrenere der beiden Verfasser hat er trotz gleicher Teilung des Gesamtgebietes an der Art der Aufnahme und Auswertung der Karte den bestimmenden Anteil. Was die geologische Glocknerkarte bei ihrem Erscheinen besonders herausgestellt hat, ist nicht nur, daß sie den touristisch bedeutsamen und durch die Glocknerstrasse erschlossenen Umkreis des höchsten Berges unserer Heimat behandelt. Sie war auch die erste erschienene moderne geologische Detailkarte eines grösseren Abschnittes der Hohen Tauern, des Kernstückes unserer östlichen Zentralalpen. Für den Geologen aber bergen die Hohen Tauern noch eine Fülle von Problemen und vielleicht ist in ihnen noch der entscheidendste Schlüssel für die Auflösung des Gebirgsbaues der Ostalpen zu finden. Warum, sei kurz anzudeuten versucht. Die alten Geologen haben in den Hohen Tauern Kerne von meist verschiefertem Granit (Zentralgneis) und deren Ummantelung durch eine aus kristallinen Schiefern bestehende Untere und Obere Schieferhülle unterschieden. Die Glocknergruppe ist die einzige der grossen Berggruppen der Hohen Tauern, die sich ohne eigenen granitischen Kern zwischen dem der Granatspitz- und der Sonnblickgruppe fast nur aus Gesteinen der Schieferhülle aufbaut. Diese Schieferhülle sinkt nach allen Seiten, am Nord- und ------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 1) Wiedergabe nach einem Vortrag auf der Frühjahrstagung der Fachgruppe für Mineralogie und Geologie des Naturwissenschaftlichen Vereines für Kärnten. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Südrand, aber auch am Ost- und West-Ende unter andere Gebirgsmassen unter. Sie und die Gneismassen gehören ohne Zweifel zu den tiefsten Elementen im Bau der Ostalpen und galten deshalb einmal auch als die ältesten. Nächst vergleichbare Gesteinsserien, wie sie am Brenner untertauchen, erscheinen wieder aus der Tiefe im Unterengadin, besonders aber in Graubünden und sind Baustoff des Gebirges im Tessin und Wallis. Von dort, der penninischen Deckengebirgszone der Westalpen, ging auch die geänderte Auffassung der Hohen Tauern aus. Heute steht durch wenige Fossilfunde nahe dem Tauerrande, besonders aber durch den verfeinerten Vergleich von Gesteinserien fest, daß die Hohen Tauern viel jüngere Gesteinsglieder enthalten als das, was sie am Rande Überlagert, jedoch bei den grossen überschiebungs- und Deckenbewegungen der Alpen-Gebirgsbildung bis in die kleinsten Bereiche ihres Gefüges verformt und durch eine dem zugeordnete Metamorphose verwandelt. Sie wurden dabei in grosse Tiefe unter andere Gesteinsmassen hinabgeführt und haben erst beim Heraussteigen der Gebirgsformen als steil sich aufwölbende Kernzone sich wieder von dieser Überlastung befreien können. Die Triebkräfte des Werdens der Kettengebirgs-Strukturen, also des Zusammen- und Übereinanderschiebens bei Verengung von Streifen der Erdkruste, liegen in der Tiefe unter den Gebirgen. Eine zutreffende Vorstellung von diesem Geschehen ist unmöglich ohne eine genaue Kenntnis gerade der tiefsterschlossenen Teilein unserem Falle der Ostalpen der Hohen Tauern. Wir brauchen zunächst von ihnen genaue, von Deutungen und Kombinationen möglichst freie Karten (und die wirtschaftliche Möglichkeit, solche aufzunehmen und zu drucken! ). Die eingehende geologische Untersuchung eines Tauernabschnittes stellt in mancher Hinsicht höhere Anforderungen als anderswo; in körperlicher und bergsteigerischer Hinsicht zunächst. petrographisch hat man es zu tun mit einer sehr bunt gemischten Folge, in der nebeneinander saure und basische : Eruptivgesteine, alte kristalline Schiefer, in denen wohl schon vorpaläozoische Metamorphosen von einer geologisch jungen Umprägung überdeckt sind, und mit mehr oder weniger metamorphen Sedimenten sowohl wahrscheinlich des Paläozoikums wie sicher des Mesozoikums bis wenigstens hoch hinauf in den Jura. Diese bunte Gesteinsgesellschaft ist unter weitgehender Störung ursprünglich anzunehmender Reihenfolgen durchbewegt und in mehreren, stellenweise anschwellenden, stellenweise lamellenartig verdünnten Decken übereinandergestapelt. Um diesen Bau zu analysieren ist die Altersfolge der Gesteine, ihre ursprüngliche Folge, meist mangels Fossilien nur durch Vergleich der Einzelgesteine und immer wieder zusammentretender Gesellschaften mit besser gesicherten Gebieten möglich. Man muss solche genau kennen, aber auch die Veränderungen durch Metamorphose und Durchbewegung herausschälen können. Diese aber kennzeichnen den Zustand in solchen Erdtiefen, einer Zone der "stetigen" Tektonik, wo die Bewegungen auch die kleinsten Einheiten des -Gefüges ergreifen und ein Wechselspiel mit Stoffverschiebungen durch Lösungen, auch mit Schmelzen einsetzt. Wir sind hier in Bereiche versetzt, wo die Gebirgsbewegungen am ehesten mit Fließen und Strömen vergleichbar sind, teils laminar, teils mit Faltenwirbeln; und die mineralparagenetischen Auswirkungen der Metamorphose beschreiben die Bedingungen der Tiefe des Gesteinströmens, die nur in solchen wiederaufgestiegenen innersten Zonen des Gebirges unserer Beobachtung zugänglich sind" Die Glocknerkarte ist weitgehend als Karte der reproduzierbaren Beobachtungen unter Abtrennung und Gliederung der Schutt- und Moränenverhüllungen ausgeführt und in der Gesteinsgliederung möglichst frei von allen nicht gesicherten Deutungen. Sie enthält im Vortrag mündlich erläutert Beispiele für eine Reihe neuer Feststellungen zum Baustil der Tauern und zur Stellung einzelner Gesteinsgesellschaften. (Deckengliederung, Vergleich Sund N-Rand, Serpentine, Eklogite, mesozoischer Anteil, Querfaltung). Hans Peter Cornelius war den Aufgaben der Tauernforschung wie kaum ein anderer Geologe unserer Zeit gewachsen. Bergsteiger von Jugend auf und Feldgeologe aus innerer Berufung hat er wohl mehr als die Hälfte seiner mehr als 40-jährigen Geologenarbeit im Gebirge verbracht. Er war auch rein bergsteigerisch ein hervorragender Kenner der West- und Ostalpen. Petrographische und stratigraphisch-tektonische Untersuchungen hat er immer in gleicher Weise und im Zusammenhange gepflegt. Im Grenzgebiet der Ost- und Westalpen und seine monographische Darstellung der Err-Juliergruppe, seine Untersuchungen im Allgäu oder der Insubrischen Linie lm Süden Marksteine der Erforschung dieser Gebiete, aber auch solche der Arbeitsmethodik, der Überprüfung bisher geäusserter Anschauungen und des Aufbaues gesicherter Schlüsse aus einer Überlegenen Fülle von Beobachtung und Vergleichen. Kaum ein anderer wäre imstande gewesen, das Kartenblatt Mürzzuschlag der österreichischen Spezialkarte 1:75000 mit verschiedenartigen Kristallinzonen, der Grauwackenzone, den Kalkhochalpen, dem Mesozoikum in Semmeringentwicklung und auch mit Tertiärbecken allein erfolgreich zu bearbeiten. Bei Beginn seiner Tätigkeit in den Tauern war ihm keine Zone der Alpen mehr fremd. So hat er auch in einer Reihe von Beiträgen allgemeineren Inhaltes zur Metamorphose und Tektonik der innersten, penninischen und unterostalpinen Bauelemente der Alpen gezeigt, dass er der Berufene war und gewesen wäre, weiter zwischen den zum Teil abweichenden in den Ostund den Westalpen entwickelten Anschauungen zu vermitteln und das Bleibende beider zu vereinigen. Nach Abschluss der Glocknerkarte hat H.P. Cornelius seine Aufnahmen in den Tauern unermüdlich weitergeführt und auch in der Nachkriegszeit, als die Heimat seine Verdienste um ihre wissenschaftliche Erforschung vergass, fortgesetzt, soweit ihm dies die Mittel aus anderer Arbeit zur Lebenserhaltung ermöglichten. Die Aufnahmen in der Glocknergruppe sind nach Nord und Süd wesentlich erweitert und grosse Teile der Granatspitz-Venedigergruppe sind von ihm aufgenommen. Der Abschluss ist ihm versagt geblieben und der Wissenschaft Erkenntnisse, die er vielleicht schon nahezu errungen, aber nie vor einer vollen, ihm zureichend erscheinenden Begründung geäussert hat. Die alpengeologische Forschung dankt ihm Grosses und Nachfolger können nicht besser tun also weiterzuarbeiten, wie Hans Peter Cornelius es begonnen. |
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