Niedermayr G. / 1993 |
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Eine
Dose aus Bleiberger Muschelmarmor für das Landesmuseum in Kärnten.
Von Gerhard NIEDERMAYR Mit 3 Abbildungen EINLEITUNG
Von einem privaten Anbieter wurde nun bereits zum zweiten
Mal innerhalb kurzer Zeit eine Dose aus Bleiberger Muschelmarmor in die
Kunstabteilung des Dorotheums in Wien zur Versteigerung gegeben. Die erste
Dose konnte glücklicherweise für die Edelsteinsammlung des
Naturhistorischen Museums in Wien ersteigert werden (NIEDERMAYR 1991). Der
Zufall wollte es, daß auch die Versteigerung der zweiten Dose dem
Schreiber dieser Zeilen rechtzeitig zur Kenntnis gebracht wurde. Trotz
einer sehr kurzfristig zu treffenden Entscheidung über die Erwerbung
dieses für Kärnten zweifellos sowohl kulturhistorisch als auch
mineralogisch bedeutenden Stückes war es den dafür zuständigen Personen
im Landesmuseum für Kärnten möglich, die erforderliche Genehmigung und
die Geldmittel zur Ersteigerung der Dose zu erhalten. Damit konnte auch
die zweite Dose für Österreich und im speziellen Fall für das Land Kärnten
sichergestellt werden. EIN
SCHMUCKMATERIAL VON EUROPAWEITER BEDEUTUNG
Die kunstgewerbliche Verwendung von Mineralien und diversen
Steinmaterialien hat in Österreich nicht unbedingt große Tradition. Vor
allem für die Anfertigung von Schalen und Vasen verwendet wurden
allerdings im 16. Jahrhundert verschiedene fossilführende Kalke, u. a.
auch aus dem Salzburger und oberösterreichischen Raum. Etwa zur gleichen
Zeit wurde in den Gosau-Schichten des oberösterreichisch-steirischen
Grenzgebietes Gagat -eine schneidund polierfähige Kohle -bergmännisch
gewonnen; vor allem Trauerschmuck wurde daraus hergestellt (FREH 1956). Im
18. Jahrhundert kam das Tabakschnupfen in Mode, das auch die umfangreiche
Produktion von entsprechenden Behältnissen für die lasterhafte Panazee
zur Folge hatte (vgl. FELLNER 1992, Red. ). Es wurden aber nicht nur
Tabatieren aus Metall, Gold, Silber usw. -hergestellt, sondern auch
verschiedenste Steinmaterialien zur Anfertigung solcher Dosen
herangezogen; die "Steinschneider" hatten kurzzeitig in
Mitteleuropa Hochbetrieb, und Wien machte da keine Ausnahme. Über die
Anfertigung und das Rohmaterial solcher Dosen hat vor einiger Zeit das rührige
Wiener Neustädter Sammler-und Lehrerehepaar HUBER nicht nur eine schöne
Ausstellung in Stift Altenburg bei Horn/Niederösterreich gestaltet,
sondern auch einen sehr informativen Katalog dazu verfaßt (HUBER und
HUBER 1991 ). Auch eine von Mag. P. A. HUBER kurz vorher in München
erworbene Dose aus Bleiberger Muschelmarmor war im Rahmen dieser
Ausstellung zu sehen. Über den "Bleiberger Muschelmarmor" und über
die Geschichte seiner Auffindung ist in dieser Zeitschrift bereits ausführlich
berichtet worden (NIEDERMAYR 1989). Nicht erwähnt, da vom Schreiber
dieser Zeilen noch immer als Mystifikation betrachtet, wurde der Umstand,
daß in alten Literaturangaben ein dem Bleiberger Material überraschend
ähnliches Vorkommen von Hall in Tirol angeführt wird (z. B. GASSER 1913
"Gschniergraben nächst dem Lavatscherjoch", I. c. S. 146) und
auch in der Mineraliensammlung des Naturhistorischen Museums in Wien durch
Stücke dokumentiert zu sein scheint. Das älteste nachzuweisende Stück
von "Hall" kam im Jahre 1850 durch Kauf von Dr. Jakob BAADER aus
der Sammlung von J. C. Ritter von PITTONI in Graz in die Wiener Sammlung.
Inwieweit dieses Vorkommen tatsächlich verifizierbar ist, wird sich durch
Recherchen des für die Bearbeitung historisch-mineralogischer
Fragestellungen so verdienstvollen Wiener Sammlers Dipl.-Ing. Otto FITZ
ergeben, der mich auf diesen Problemkreis erst vor einiger Zeit
angesprochen hat. Bis zur Klärung der Frage, ob im Bereich des Karwendels
ein weiteres Vorkommen von "Bleiberger Muschelmarmor" existiert
oder nicht, neige ich der Auffassung zu, daß der seinerzeitige k. k.
Bergrichter über die Bleybergwerke in Kärnten, Carl PLOYER, der maßgeblich
an der Entdeckung und Publizität des Bleiberger Muschelmarmors beteiligt
war, später als Bergrat in Hall in Tirol wirkte und seinen Lebensabend in
Wien (ab 1805) verbracht hat, ganz bewußt Bleiberger Material dem "
Vorkommen" bei Hall unterschoben hat. Es ist in diesem Zusammenhang
ja auch bemerkenswert, daß PLOYER in seinem Bericht über die Auffindung
des Bleiberger Muschelmarmors davon spricht: ..."Nunmehro
ist der Ort, wo dieser Marmor gebrochen wird, auf Befehl des Hofes
verzimmert, und mit einer Thür verschlossen, damit diese sonderbare
Steinart nicht Zu gemein werde, und auf höchstes Verlangen jederzeit die
begehrten Lieferungen erfolgen können." (Zit. in SIEGFRIED 1782, S.
417.) Somit hätte eigentlich kein weiteres Material von Bleiberg
in Umlauf gelangen können. Es ist aber anzunehmen, dass PLOYER selbst
eine ansehnliche Menge dieses seinerzeit so gepriesenen und geschätzten
Schmuckmaterials besessen haben dürfte, das unter der Fundortbezeichnung
Bleiberg zu veräußern er sich später nicht erlauben durfte. Sicher ist
dies sehr spekulativ. Eine endgültige Klärung werden wohl nur Neufunde
im Bereich von Hall ergeben. In diesem Fall wäre der Nachweis zweier räumlich
so weit auseinanderliegender, nach den mir vorliegenden Stücken aber bis
ins kleinste Detail ähnlicher, Vorkommen von "Bleiberger
Muschelmarmor" von besonderer geologisch-fazieller Bedeutung. Herrn
Dipl.-Ing. Otto FITZ danke ich jedenfalls für die in diesem Zusammenhang
geführten Diskussionen und hoffe, daß seine Bemühungen zur Klärung
dieser interessanten Fragestellung von Erfolg gekrönt sein werden. Das Bleiberger Muschelmarmor-Material hat jedenfalls in
ganz Europa Furore in der vornehmen Gesellschaft gemacht, wie wir dem schönen
Bericht von WULFEN (1793) über den "Kärnthenschen pfauenschweifigen
Helmintholith" entnehmen können (vgl. NIEDERMAYR 1989). WULFEN hat jedenfalls die, wie er meinte, mißbräuchliche
Verwendung dieses Steinmaterials sehr angeprangert. Seinen Ausführungen
ist aber auch zu entnehmen, daß seinerzeit sehr viel Material des
Bleiberger Muschelmarmors zu kunstgewerblichen Gegenständen verarbeitet
worden sein muß. Es überrascht in diesem Zusammenhang, daß es in
Sammlungen bisher kaum daraus gefertigte Gegenstände gibt, die aber -wenn
man den alten Berichten Glauben schenkt -angefertigt worden sein müßten.
In der Sammlung des Wiener Museums sind zwar bemerkenswert viele Rohstücke
dokumentiert, es existierten aber bis zur Ersteigerung der eingangs erwähnten
Dose nur zwei wenig interessante Cabochons bzw. Plättchen aus Bleiberger
Muschelmarmor. Auch das Landesmuseum in Klagenfurt besitzt eine
umfangreiche Kollektion von Bleiberger Muschelmarmor.*) Um so erfreulicher
ist es, daß nun wieder ein Objekt aus Bleiberger Muschelmarmor aus
Privatbesitz aufgetaucht ist und für eine öffentliche Sammlung
sichergestellt werden konnte. DIE
DOSE IM LANDESMUSEUM FÜR KÄRNTEN
Die nun für Kärntens landeskundliche Sammlungen
ersteigerte ovale Dose mit Silbermontierung hat die Maße 7,4 x 4,9 x 2,6
cm. Der Scharnierdeckel weist eine Daumenrast auf und eine hohe Zarge mit
zart gravierten, umlaufenden Linien; das Meisterzeichen ist verschlagen;
Beschauzeichen: Krems um 1825. Die Dose ist vielleicht qualitativ nicht so
gut gearbeitet wie jene, die für das Naturhistorische Museum in Wien
erworben werden konnte, sie stellt aber meiner Meinung nach eine für Kärnten
aus verschiedenen Gründen sehr wichtige Neuerwerbung dar. Man muß sie
jedenfalls als ein Juwel aus der frühen Zeit der mineralogischen
Durchforschung Kärntens und als wichtigen Beleg für die Dokumentation
eines früher anscheinend so beliebten und heute kaum bekannten
Schmuckmaterials aus einem österreichischen Vorkommen betrachten. LITERATUR FELLNER, S. (1992, Red.): Die Lasterhafte Panazee. 500
Jahre Tabakkultur in Europa. Ausstellungskatalog. - Wien: Österreichisches
Tabakmuseum, 166 S. FREH, W. (1956): Alte Gagatbergbaue in den nördlichen
Ostalpen. - Mitt.-Bl. Abt. Miner. Landesmus. Joanneum Graz 1:1-14. GASSER, G. (1913): Die Mineralien Tirols einschließlich
Vorarlbergs und der Hohen Tauern. - Innsbruck: WAGNER, 548 S. HUBER, S., und P. A. HUBER (1991 ): MINERAL und DOSE.
Ausstellungskatalog. - Altenburg: Benediktinerstift Altenburg, 85 S. NIEDERMAYR, G. (1989): Der Bleiberger
"Muschelmarmor" -F. X. WULFENS "kärnthenscher
pfauenschweifiger Helmintholith". - Carinthia II,.179./99.:47-57. -(1991): Eine Dose aus Bleiberger Muschelmarmor. -
Mineralien-Welt 2,4:49-52. SIEGFRIED, F. (1782): Nachricht von dem schönen
opalisierenden Muschelmarmor aus Kärnthen. Aus einem Schreiben eines
Freundes an den Rendanten SIEGFRIED. - Schriften d. Berlinischen Ges. naturforschender
Freunde 3:415-423.
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